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Die Kunst des Fallenstellens


Neuntes Buch aus dem Band "Die Kunst des Kochens"


Die Jagd gilt als nobel und edel, doch all die, die schon einmal Tage in einem verregneten Wald zugebracht haben, nur um durchnässt, krank und ohne Beute ins Dorf zurückzukehren, wissen, dass auch diese Sache zwei Seiten hat. Warum sich den Gefahren und der Langeweile aussetzen, da es doch euch Schlingen aus Schattenspinnenseide oder angespitzte Baumstämme gibt?

Natürlich kommen viele Jäger auf die Idee, eine Falle aufzustellen, um sich die Jagd zu erleichtern, doch wenn dies allen gelänge, könnte man in unseren Wäldern keinen Schritt mehr tun, ohne in eine Speergrube zu fallen oder plötzlich an den Füßen aufgehängt an einem Baum zu schaukeln. Zum Glück ist das Fallenstellen kompliziert. Die Geheimnisse dieser Kunst erlernt man in der Gilde der Fallensteller, doch die sind wählerisch und verlangen schwierige Aufnahmeprüfungen, unter anderem den Fang eines lebenden Dryaden-Warans oder eines ähnlich unangenehmen Tieres. Wen das nicht abschreckt, der sollte bei Pelzhändlern oder in Tavernen nach Mitgliedern der Gilde fragen. Man findet sie in fast jeder größeren Stadt und in der Nähe besonders ergiebiger Jagdgebiete.

Hat man die Aufnahmeprüfungen bestanden, beginnt die Ausbildung, die je nach Geschick und Wissensdurst bis zu sieben Jahre dauern kann. Niemand weiß genau, was dort gelehrt wird, aber es heißt, im ersten Jahr würde vor allem das Knüpfen und Auslegen von Schlingen geübt. Kaninchen, Eichhörnchen und Hasen gelten als häufige Beute. Danach übt man die Jagd mit Netzen, die in Bäume gehängt und durch einen Mechanismus am Boden ausgelöst werden. Damit, wie auch mit den Schlingen, fängt man Tiere lebend. Angeblich müssen die Lehrlinge jedes Tier, das sich in einer solchen Falle verletzt, eigenhändig töten und die anderen frei lassen.
Haben sie auch diese Kunst erlernt, folgen die tödlichen Fallen. Gruben voll mit angespitzten Baumstämmen gelten zwar als aufwändig, ermöglichen es dem Fallensteller jedoch, Tiere zu erlegen, die er sonst nur in der Gruppe und unter großen Gefahren jagen könnte. Bei dieser Falle kommt es hauptsächlich auf das Material an, mit dem die Grube abgedeckt wird. Es muss fest genug aussehen und gut genug getarnt sein, um das Tier zu täuschen, darf aber nicht so fest sein, dass es darüber gehen kann ohne einzubrechen. Auf der anderen Seite darf es auch nicht so leicht sein, dass es bereits unter einem Spatz, der sich darauf niederlässt, zusammenbricht. Eine perfekte Abdeckung bricht erst ein, wenn das Tier die Mitte der Grube erreicht hat, nicht bereits beim ersten Schritt, wenn es sich vielleicht noch zurückwerfen kann. Gute Fallensteller errichten Abdeckungen mit solcher Genauigkeit, dass eine ganze Herde Rehe darüber hinwegziehen kann, sie jedoch unter dem ersten Hirsch zusammenbrechen.

Der Bau solcher Fallen ist in vielen Gegenden aus offensichtlichen Gründen verboten. In bewohnten Gebieten ist der Einsatz so genannter Spießschleudern – mit Speeren besetzte Holzgitter, die aus dem Boden oder aus einem Baum schnellen – ebenfalls bei Strafe untersagt. Bei der Jagd auf Raubtiere werden solche Fallen dennoch gern und häufig eingesetzt. Die meisten Jäger halten sich in der Nähe einer solchen von ihnen aufgestellten Fallen auf, um nichts ahnende Menschen, die möglicherweise ebenfalls auf der Jagd sind, rechtzeitig davor zu warnen. Allerdings gibt es auch solche, die den Tag lieber in der Taverne verbringen und auf die Gnade der Valar vertrauen. Begegnet man einem solchen Fallensteller, so empfiehlt es sich, an diesem Tag nicht durch den Wald abzukürzen.


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