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Die Fischerei
Achtes Buch aus dem Band "Die Kunst des Kochens"
Wie fange ich einen Fisch? Dies ist die Frage, die sich fast jeder Junge und jedes Mädchen einmal beim Anblick der glitzernden Schuppen im Dorfweiher stellt. Eine Angel mit Haken lässt sich schnell bauen, doch spätestens beim Köder treten die ersten Komplikationen auf. Reicht der nackte Haken oder sollte man besser einen Wurm oder ein blutiges Stück Fleisch daran fest machen? Letzteres eignet sich tatsächlich für den Fang, allerdings fängt man Fische, die von Blut angelockt werden, doch eher selten in einem Dorfweiher – und wenn, sollte man jemandem Bescheid sagen, da das Baden in diesem Weiher nicht mehr sicher ist.
Für den Anfang reicht etwas, das den Haken tarnt und sich im Wasser bewegt. Manche Fische fressen Pflanzen, andere Mücken, wieder andere kleine Fische oder Krebse. Mit ein wenig Geduld und Übung wird man schon bald herausfinden, welcher Köder für den Fisch des entsprechenden Gewässers geeignet ist und wann man die Schnur mit einem Ruck anziehen muss, damit sich der Haken ins Maul des Fisches gräbt, sodass man seine Beute an Land ziehen kann. Dabei wird man leider auch feststellen, dass die meisten anderen, mit denen man dieses Abenteuer begonnen hat, schon bald die Lust daran verlieren und lieber Ziegen hüten oder dem Gerber bei der Arbeit zusehen. Spätestens dann, wenn man allein in einem Boot auf dem Weiher sitzt und Köder aus Federn und kleinen Steinen herstellt, sollte man darüber nachdenken, ob man für den Beruf eines Fischers geeignet sein könnte.
Es gibt zahlreiche große und kleine Fischergilden in Mittelerde. Sie haben untereinander die Fischgründe an den Küsten und auf den großen Seen aufgeteilt. Ihre Mitglieder tragen Farben, um ihre Gildenzugehörigkeit zu demonstrieren und zu zeigen, dass sie das Recht haben, in einem bestimmten Gewässer oder einem bestimmten Abschnitt der See zu fischen. An besonders begehrten Fischgründen, wie denen in der Nähe von Städten, kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen rivalisierenden Gilden und Belagerungen gegnerischer Flotten. Wenn nicht gekämpft, sondern gefischt wird, dann geschieht dies meist mit Netzen, die von Booten ausgeworfen werden, oder Reusen. Deren Handhabung lässt sich schnell erlernen, länger dauert es, bis man es raus hat, gute Fischgründe zu erkennen und welche Fische man dort fangen kann. Ein Lehrling, der mit einem erfahrenen Fischer ausfährt, sollte nicht länger als ein Jahr brauchen, um den Abschnitt seiner Gilde zu erkunden, das Wetter zu deuten und die Grundlagen der Seemannskunst zu erlernen.
Auf Flüssen und Seen begegnen Fischer einander häufig mit Ablehnung und Misstrauen, auf den Meeren jedoch verbindet sie die Kameradschaft von Soldaten, die sich jeden Tag aufs Neue dem Feind stellen müssen. Gerade die See mit ihren zahlreichen Untiefen und plötzlichen Wetterwechseln gilt als unberechenbar und jeder Fischer weiß, dass er eines Tages dem Boot eines anderen sein Leben verdanken könnte.
Doch gibt es die, denen alle, ob See-, Fluss-, Küsten- oder Ozeanfischer mit großem Respekt begegnen: den Meisterfischern von Mittelerde. Sie gehören keiner Gilde an, nehmen an keinem Kampf teil und tragen weiße Halstücher zum Zeichen ihrer Unabhängigkeit. Nur andere Meisterfischer können sie ausbilden. Man holt sie, wenn solch große Fische gefangen werden sollen, dass sie jedes Netz zerreißen würden und die Boote mit nur einem Flossenschlag zerschmettern können. Nur mit einer Harpune bewaffnet, stellen sich ihnen die Meisterfischer zum Kampf. Ihr Leben ist gefährlich, doch sie wissen, dass sie die Besten der Besten sind. Einer der ihren sein zu können, davon träumt jeder Angler in seinem Boot auf dem Weiher.
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